Konzentrierte Medienpower aus der Südostschweiz
«Corona war im März 2020 wie ein Hammer für uns», erinnert sich Tarcisi Hendry, CFO der Somedia AG, an den Beginn der Pandemie. Wie bei allen Medienhäusern sei der Werbeumsatz extrem eingebrochen. Indem das Unternehmen jedoch sämtliche Möglichkeiten – vom Investitions- und Personalstopp über Kurzarbeit bis zum Ausschöpfen aller in Aussicht gestellten Hilfszahlungen des Bundes – nutzte, überstand es die letzten beiden Jahre verhältnismässig gut und blickt grundsätzlich optimistisch in die Zukunft. Auch wenn beim Medienkonzern weitere grosse Herausforderungen anstehen.
Print ist weiterhin das Kerngeschäft
«Der Wandel von den klassischen Medien hin zu den digitalen ist die grosse Herausforderung, mit der wir konfrontiert sind», sagt Tarcisi Hendry. Der Rückgang bei den Abonnentinnen und Abonnenten der Zeitungen schreitet seit einigen Jahren voran – trotz einer Stabilisierung, ja sogar einer leichten Zunahme während der Pandemie, wo gut recherchierte Inhalte offenbar wieder stärker gefragt würden. Die Tendenz bleibt indes, und diese verlorenen Umsätze durch neue zu ersetzen, sei ein langwieriger Prozess, ausser man würde grosse Unternehmen dazukaufen. «Tatsache ist, dass wir momentan unser Geld weiterhin mit den gedruckten Zeitungen verdienen, nicht mit den digitalen. Die Zeitung frühmorgens im Briefkasten zu haben, ist noch immer der Wunsch vieler Leserinnen und Leser», so der Somedia-Finanzchef.
Digitales Know-how aufbauen
Um sich für die digitale Zukunft zu rüsten und neue Geschäftsfelder zu erschliessen, hat Somedia AG mehrere Agenturen gegründet. «In Zürich haben wir mit <Somedia Learning> eine Agentur im Bereich der digitalen Lernmedien, die bereits sehr erfolgreich unterwegs ist», erklärt Tarcisi Hendry. Mit «Speed U Up Suisse AG», einer Digitalagentur, die sich auf den Alpentourismus spezialisiert, und der im letzten Frühling gegründeten Marketing- und Ad-Technologie-Agentur «Think11 Switzerland AG» baut das Medienunternehmen das hauseigene digitale Know-how weiter auf. Allerdings nicht mit der grossen Kelle. «Wir sind ein regionales Medienunternehmen und haben nicht das gleiche Portemonnaie wie die ganz grossen Schweizer Medienhäuser. Wie müssen geschickt mit unseren Mitteln umgehen, und momentan sind wir auf einem sehr guten Weg», so Hendry.
Somedia setzt (auch) auf gedruckte Zeitungen
Es bleibt die Frage, in welche Richtung sich die Medienwelt entwickelt. Wie sieht es in einigen Jahren aus, werden sich die Printprodukte halten können? Tarcisi Hendry wagt einen Blick in die Kristallkugel: «Wir glauben daran, dass es auch in zehn Jahren noch gedruckte Zeitungen geben wird.» Als Verwaltungsratspräsident des Druckzentrums in Haag SG – die Somedia AG ist mit zwei Partnern daran beteiligt und produziert dort ihre Zeitungen – hat er dort erst vor kurzem eine neue Druckmaschine in Betrieb genommen, und «die muss sicher noch mindestens zehn Jahre halten», meint er und lacht.
Am Morgen liest Tarcisi Hendry natürlich als Erstes die Bündner Ausgabe der «Südostschweiz» sowie «La Quotidiana», die einzige rätoromanische Tageszeitung, und zwar online. Später noch die beiden grossen Zürcher Zeitungen, diese hingegen in der gedruckten Ausgabe. Für ihn seien digitale Zeitungen eine gute Ergänzung, so könne er die Zeitung überall und jederzeit lesen. Dass gerade die besonders digital-affine Generation kaum mehr Interesse an Zeitungen zeige, egal ob digital oder gedruckt, unterstreicht die Herausforderung für die Medienhäuser, weiterhin Geld mit Zeitungen zu erwirtschaften. Zumal die Bereitschaft, für digitale Inhalte zu zahlen, weiterhin sehr gering sei.
Vertrauen von der Besitzerfamilie
Seit drei Jahrzehnten arbeitet Tarcisi Hendry für das Unternehmen. «Das grosse Vertrauen, das ich und meine Kollegen in der Unternehmensleitung von der Besitzerfamilie geniessen, ist der wichtigste Grund, warum ich hier bin. Ich darf ein tolles Team mit unterschiedlichen Arbeitskulturen führen. Eine Agentur tickt beispielsweise ganz anders als eine Redaktion oder die IT-Abteilung. Diesen Job gibt es wohl kein zweites Mal, das gefällt mir», so der Bündner.
Auch die Vorzüge eines Familienunternehmens schätzt der CFO. «Dadurch sind unsere Entscheidungswege sehr kurz. Wir sind flexibel und können schnell auf Unvorhergesehenes reagieren, das ist ein grosser Vorteil.» Zwei Mitglieder der Besitzerfamilie – Kinder des Verlegers Hanspeter Lebrument – sind in der fünfköpfigen Unternehmensleitung. «Bei uns ist alles immer noch sehr familiär», sagt Tarcisi Hendry. Etwas habe sich jedoch mit dem Nachrücken der jüngeren Generation verändert: «Früher gab es einen Patron, der die Verantwortung allein trug und quasi alles in Eigenregie bestimmte. So etwas gibt es heute nicht mehr, nun entscheidet die Unternehmensleitung gemeinsam.»
Somedia
Somedia gilt als das führende Medienhaus in der Südostschweiz mit Sitz in Chur. Es vereint unter anderem fünf Tageszeitungen, elf Wochenzeitungen, einen Radio- und einen Fernsehsender unter einem Dach. Das Unternehmen ist in Familienbesitz und blickt auf eine 166-jährige Geschichte zurück. Somedia beschäftigt rund 650 Mitarbeitende, darunter 23 Lernende, an schweizweit zehn Standorten.
Unikum in der Zeitungslandschaft
«La Quotidiana» ist die einzige rätoromanische Tageszeitung. Sie wurde 1997 vom Somedia-Verleger Hanspeter Lebrument gegründet und wird redaktionell durch die Fundaziun Medias Rumantschas (Stiftung romanische Medien, Nachfolgeorganisation der romanischen Nachrichtenagentur) unterstützt. Die Berichterstattung aus den romanischen Regionen erfolgt in der Regel in den fünf Idiomen (Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Puter und Vallader), überregionale Themen mehrheitlich in der Einheitssprache Rumantsch Grischun. «La Quotidiana» hat eine Auflage von rund 4000 Exemplaren.